Moderate Anhebungen Wenn man sich vor Augen führt, wie das menschliche Ohr in der Lage ist, eine Konversation in einem lauten Raum trotz aller Nebengeräusche zu verfolgen, dann sollte einem klar sein, dass das menschliche Ohr unnatürliche Veränderungen in einer Gesangsaufnahme geradezu instinktiv wahrnehmen kann. Wir Menschen sind seit jeher von der Natur optimiert worden, die menschliche Stimme besonders gut wahrzunehmen – ein wichtiger Teil für die Kommunikation. Deswegen gilt bei der Bearbeitung von Vocals mit dem EQ noch mehr als bei jedem anderen Instrument, dass alle Änderungen eher moderat durchgeführt werden sollten. Das bedeutet, dass tendenziell wenige Dezibel angesagt sind, zudem sollten Absenkungen/Cuts mit großem Q (also nur ein enger Ausschnitt) und Anhebungen/Boosts mit geringem Q (breite Änderungen) eingesetzt werden.
Einsatz von Filtern Viele Vocals können vom Einsatz eines Low-Cut-Filters profitieren. Die fundamentale Frequenz eines männlichen Sängers liegt in der Regel so um die 125 Hz, bei einer Frau wird sie etwas höher angesiedelt sein, vielleicht bei etwa 200 Hz. Daraus resultiert, dass bei einer männlichen Stimme der Hochpass-Filter oftmals bis hoch auf 150-180 Hz eingesetzt werden kann (in einem Songkontekt mit weiteren Instrumenten), ohne die Klangqualität bzw. Fülle der Stimme im Mixdown merklich zu verändern. Bei einer weiblichen Stimme kann der Filter sogar noch höher angesetzt werden. Ein nützlicher Nebeneffekt (wenn nicht der primäre Zweck) von einem solchen EQ-Filter bei Vocals ist, dass ungewollte Nebengeräusche der Aufnahme wie Trittschall, tiefe Atemgeräusche und auch Teile der Pop-Geräusche entfernt bzw. minimiert werden. Beim Einstellen des High-Pass-Filters sollte der Bypass dein bester Freund werden, um die tatsächlichen Änderungen immer gegenzuchecken. Schnell ist unten zu viel der Vocals entfernt und die Stimme des Körpers und ihrer Fülle beraubt. Klingt die Stimme etwa dünn, dann sollte der Filter etwas zurückgenommen werden.
Sprachverständlichkeit Ich werde an dieser Stelle gleich einige Frequenzen als Anhaltspunkte nennen, mit denen normalerweise die Sprachverständlichkeit einer Stimme verbessert werden kann. Mir ist dennoch wichtig, erneut darauf hinzuweisen, dass jede Stimme einzigartig ist und dass nur das Experimentieren mit den Einstellungen zu wirklich großartigen Ergebnissen führen werden. Die Sprachverständlichkeit einer Stimme findest Du in einem Bereich von etwa 1,5 – 6 kHz. Dabei kannst Du die Präsenz der Aufnahme zumeist um die 3 kHz anheben, die reine Sprachverständlichkeit ist oftmals gut bei 5 – 6 kHz zu finden. Noch ein Stück darüber im Frequenzspektrum, etwa zwischen 6 – 8 kHz findest Du die Sibilanten – also das eher unangenehme Zischen. Wenn die Stimme zu sehr über dem gesamten Mix herausragt, dann kannst Du zusätzlich probieren, zwischen 100 und 250 Hz etwas abzusenken.
Was mache ich, wenn…
…die Vocalaufnahme zu harsch und hart klingt? Eine schmale Absenkung (hohe Filtergüte Q) im Bereich von 2,5-4kHz kann hier wahre Wunder bewirken. Mit einem Sweep gehst Du mehrmals diesen Bereich langsam durch, um die genaue Problemfrequenz zu finden.
…die Vocalaufnahme etwas luftiger und offener sein soll? Am besten wäre es, bereits bei der Aufnahme der Vocals, der Sprache oder des Raps darauf zu achten, dass der Sänger etwas weiter entfernt vom Mikrofon aufgestellt ist. Wenn diese Chance vertan ist: Mit dem Equalizer kannst Du mit einem Hi-Shelf (Kuhschwanzfilter) einen leichten Boost ab etwa 6 kHz herumexperimentieren. Jedoch empfiehlt es sich, bedachtsam mit der Anhebung umgehen, damit die Spuren am Ende nicht zu anstrengend werden.
…die Aufnahme zu viel Bass hat oder der Trittschall des Sängers zu hören ist? Um den Trittschall annähernd unhörbar zu machen, reicht es meist, einen Hi-Pass- bzw. LowCut-Filter ab circa 60 Hz einzusetzen. Da viele Stimmen dann immer noch zu bassig für den Mixdown sind, setze ich persönlich den Filter so bei etwa 80-100 Hz ein, manchmal sogar weit darüber. Mit dieser Beschneidung legt sich die Stimme etwas mehr in den Gesamtmix.
…die Vocalaufnahme etwas weicher / smoother werden soll? Im Bereich von 1-2kHz kannst Du mit einem hohen Q (schmalen Band, Filtergüte Q) eine Absenkung um wenige Dezibel nutzen, um die Stime aus Gesang, Sprache oder Rap etwas weicher zu gestalten. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt.
…die Vocals zu wenig Körper und Wärme haben? Mit einer sanften Anhebung von etwa 200 Hz bis in den unteren Mittenbereich erhalten die Spuren etwas mehr Bass und Wärme, also auch mehr Körper. Auch hier gilt es, mit besonders wachem Ohr hinzuhören und die Maskierung anderer Instrumente zu überprüfen, die sich in diesem Frequenzbereich tummeln.
…die Stimme zu nasal klingt? Diesem Problem ist am besten mit richtiger Mikrofonpositionierung beizukommen, indem Du das Mikrofon auf die Brust des Sängers oder Sprechers richtest. Wenn das allerdings nicht mehr möglich sein sollte, dann kann eine schmalbandige Absenkung um die 800 Hz noch so einiges geradebiegen und Du damit die Nasalität in den Griff bekommen.